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Der Weiss - Storch

Der Weißstorch
(mit Texten für junge Leser)
Mit langen Beinen geht der Storch,
mit langen Beinen in roten Socken durch Sumpf und Gras
und hält den Bauch sich trocken.
Mit langem Halse späht der Storch,
mit langem Halse wie ein Turm nach Maus und Frosch
und einem Regenwurm.
Mit langem Schnabel jagt der Storch,
mit langem Schnabel, hart und spitz, und zappelt was,
dann saust die Gabel wie ein Blitz.

 

Dieser Kinderreim liefert eine treffliche Beschreibung unseres Weißstorches.
Und sollte man den Märchen und Sagen glauben, hat es auch noch eine andere Bewandtnis mit der "tragenden" Rolle, die der Storch über die Jahrhunderte im Leben der Menschen spielte.
Er gilt als Glücks- und Kinderbringer, was man mit der im Deutschen üblichen Bezeichnung "Adebar" erklärt. Im alten China sah man in ihm ein Sinnbild der Langlebigkeit, was aber mehr seiner Standorttreue zuzuschreiben ist. Die alten Ägypter verehrten den Storch als Gleichnis für Frömmigkeit und auch die Araber behandelten ihn mit Respekt. Von den Griechen übernahmen die Christen die Überzeugung, der Storch sei der Inbegriff der ehelichen Treue.
Alle diese Gleichnisse bewahrten ihn jedoch nicht vor den Hexenküchenmeister der Antike, die mit den Storcheninnereien ein Rezept für übernatürliche Kräfte entdeckt zu haben glaubten.
Doch dieser faule Zauber ist nichts im Vergleich zu dem, was schon seit Jahrzehnten vor allem in Westeuropa mit unserem vielgerühmten Frühlingsvogel passiert. Die Bestände gingen zurück und in vielen Gegenden (Schweden, Schweiz) war der Storch ganz verschwunden oder zu einer Rarität geworden.
Gründe sind in den ausgeräumten verarmten Niederungslandschaften zu finden, die keine breite Nahrungspalette bieten. Auch Trockenlegung von Wiesen und Landschaftsverbrauch engen seinen Lebensraum ein. Der Einsatz von Giften tut ein Übriges, um sein Nahrungsspektrum zu dezimieren. Unfälle an Stromleitungen spielen eine nicht unerhebliche Rolle und auch während des Vogelzuges ist der Storch vor Abschuss nicht sicher.
Wenn wir wollen, dass Freund "Adebar" auch in Zukunft jedes Frühjahr zu uns zurückkehrt, müssen wir ihm seine natürlichen Lebensgrundlagen erhalten.
Die lieben Verwandten
Zur Familie der Störche, in gemäßigten und warmen Gebieten der Erde lebend, zählt man 17 Arten von Störchen, die sich in der Gestalt sehr ähnlich sehen. Dazu gehören z. B. Schwarzstorch, Turkestanstorch, Abdimsstorch, Klaffschnabel und Sattelstorch.
Der Schwarzstorch, ebenfalls in Europa vorkommend, ist im Unterschied zu seinem etwas größeren weißen Vetter ein sehr scheuer Vogel, der besiedelte Landstriche meidet und in wasserreichen Gegenden in dichten, urwaldartigen Waldbeständen nistet. Schnabel und Beine sind dunkelrot, die Oberseite des Körpers ist von schwarzbraunem Gefieder mit irisierendem Glanz bedeckt, der Bauch ist jedoch weiß.
Zu seiner heimlichen Lebensweise gehört auch seltenes Schnabelgeklapper, dafür manchmal ein melodisch klagender Ton.
Aussehen
Etwa 1 m großer Stelzenvogel mit schwarz-weißem Gefieder, roten Beinen und rotem Schnabel.
Lange, breite Flügel befähigen ihn zu weiten Streckenflügen und ausdauerndem Segeln. Im Flugbild ist der Körper lang ausgestreckt und durch das Gefieder sehr kontrastreich. Die Spannweite seiner Flügel beträgt etwa 2 m.
Das Durchschnittsgewicht liegt beim Weibchen bei etwa 3300 g und beim Männchen bei etwa 4000 g. Es gibt keine sicher erkennbaren Geschlechtsunterschiede.
Lebensweise
Der Weißstorch kann ein Alter von 20 Jahren erreichen.
Lautäußerungen: Eine keckernde und miauende Stimme bei Jungstörchen sowie ein fauchendes Zischen und ansonsten nur Schnabelgeklapper bei den Altstörchen.
Sie ruhen zwar auch im Nest sitzend, aber meist auf einem Bein stehend, den Kopf zwischen den Schultern und den Schnabel auf den aufgeblähten Hals gelegt. Der Ruderflug erscheint schwerfällig, dagegen leicht das lange Segeln oder Gleiten in oft großer Höhe.
Lebensraum
Der Weißstorch bewohnt fast ganz Mittel- und Südeuropa, Kleinasien, Teile Mittelasiens, Nordwest- und Nordafrika.
Er bevorzugt Sümpfe, feuchte Wiesen, flache Gewässer und offene Landschaft mit niedrigem Bewuchs. Anziehungspunkt sind besonders die Qualmwasserzonen an der Binnenseite der Deiche mit einer Vielzahl von Kleingewässern, überfluteten Retentionsräumen an Wasserläufen und die beweideten oder als Mähwiesen genutzten weiten Deichvorländer der Elbe.
Ab Beginn der Brutperiode erfolgt wegen der Nestkonkurrenz und Brutbewachung nur ein Anfliegen von Nahrungsplätzen in unmittelbarer Umgebung (1000 m). Das Brutareal wird vom Nahrungsangebot bestimmt und hat als Nordgrenze Dänemark und Südschweden.
Nahrung
Vorwiegend Mäuse, Insekten und Regenwürmer; weniger Frösche, Krebse, Eidechsen, Schlangen und Fische; gelegentlich Aas.
Im zeitigen Frühjahr ist das Nahrungsangebot meist auf Regenwürmer beschränkt, im Winterquartier werden massenhaft Heuschrecken vertilgt. Der Weißstorch versteht es auch, das Umpflügen des Ackers und das Abbrennen von Stroh oder Gras für seine Jagd auf Kleingetier zu nutzen. Auswertungen des Gewölles ergaben keine Hinweise auf eine Jagdkonkurrenz zum Menschen.
Langzeitbeobachtungen haben die große Abhängigkeit der Störche von naturnaher Landbewirtschaftung bewiesen.
Vogelzug
Als Zugvogel verbringt der Weißstorch die kalte Jahreszeit in Süd- und Ostafrika. Abhängig von der etwa über Bayern, dem Kyffhäuser bis hin zu den Niederlanden bestehende Zugscheide, geht die westliche Route über die Straße von Gibraltar und die östliche Route über den Bosporus. Während des Fernfluges gibt es keine feste Flugordnung, geflogen wird in lockeren Pulks.
März/April kommen die Störche, meist die Männchen zuerst, aus den Winterquartieren zurück, wobei sie täglich etwa 400 km zurücklegen. Ende August erfolgt der Flug retour nach Afrika, wobei hier die Jungstörche früher aufbrechen. Allgemein geht dieser Flug langsamer vonstatten.
Fortpflanzung
Bau von Horsten mit einem Unterbau von dicken Ästen und darüber Zweigen, Gras, Erde und Mist freistehend auf hohen Gebäuden, Türmen, Schornsteinen und Bäumen. Auch Kunsthorste werden angenommen.
Die mächtigen Horste werden jahrzehntelang bewohnt und können durch jährliche Ausbesserungen und Hinzufügen von Nistmaterial zu einem imposanten Bauwerk von 90-200 cm Höhe und einem Gewicht von nicht selten 1000 kg werden.
Zur Brautwerbung gehört ein ritualisierter Schreittanz. Die Paarung ist besonders für das Männchen ein akrobatisch anmutender Balance-Akt.
Die Gelege umfassen 3-5 Eier, der Schlupf erfolgt nach 33-34 Tagen, die Nestlingsdauer beträgt 54-63 Tage. Bis zur 4. Woche ist ein Elternteil ständig am Nest. Das von den Altvögeln im Schlund herangetragene Futter und Wasser wird in die Nestmitte erbrochen. Beide Altvögel teilen sich die Betreuung der Jungen, die erst den Horst verlassen, wenn sie richtig fliegen können.
Die Jungtiere brechen auch früher zu ihrem Flug ins Winterquartier auf, allein ihrer genetischen Information folgend. Heimkehren werden sie erst mit 4-5 Jahren bei Eintritt der Fortpflanzungsreife. Nach Besetzen eines Horstes, meistens in heimatlicher Umgebung, wird der Storch dem Nistplatz bedingungsloser die Treue halten, als dem Partner.
Von Störchenstädten und anderen Merkwürdigkeiten
Störche sind Kulturfolger. Man nimmt an, dass sie ursprünglich in Kolonien lebten und generell auf Bäumen brüteten. Jetzt befinden sich die Horste auf Gebäuden inmitten von Dörfern und Städten.
Doch dass auch unser Storch Gemeinsinn beweist, wird in Rühstädt, einem Ort östlich von Wittenberge, jedes Jahr von den Einwohnern und zahlreichen Touristen beobachtet. Jedem Gebäude sein Storchennest und manchmal auch mehr. Nicht nur eine Attraktion, sondern auch Ausdruck für die Vielfalt dieser Landschaft. Der Storch ist ein Indikator für biologisch noch nicht verarmte Gebiete.
Ursprünglich eine Auffangstation für verletzte Störche, hat sich der Storchenhof in Loburg Dank vieler engagierter Menschen zu einer international bekannten und geachteten Einrichtung zum Schutz des Weißstorches und den Erhalt bzw. der Erweiterung seines Lebensraumes entwickelt.
Unser Leben wäre ärmer ohne Freund "Adebar".

 
Literaturquellen

M. Boucher, Der Kosmos-Spurenführer, Frankh´sche Verlagshandlung Stuttgart

Pflanzen und Tiere  -  Ein Naturführer, Urania-Verlag Leipzig-Jena-Berlin

Urania Tierreich   -   Vögel,  Urania-Verlag Leipzig-Jen-Berlin 1977

J. Nicolai, Fotoatlas der Vögel, Gräfe und Unzer GmbH München 1982

W. Thiede   -   Vögel,  BLV Verlagsgesellschaft mbH München Wien Zürich 1993

Hutter/Thielcke   -   Natur ohne Grenzen,  Edition Weitbrecht 1990

G. Creutz   -   Der Weiß-Storch,  A. Ziemsen-Verlag Lutherstadt Wittenberg 1985

G. Creutz   -   Geheimnisse des Vogelzuges,  A. Ziemsen-Verlag Lutherstadt Wittenberg 1987

Gedicht von Alfred Könner aus "Bilderzoo",  Altberliner Verlag Berlin 1983

Bildmaterial aus "Elbtalaue" von Neuschulz/Plinz/Wilkens,  Naturerbe-Verlag Jürgen Resch 1994

 



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